Adriaen van Ostade: The Simple Life
30.5. – 8.11.2020 | Reinhart am Stadtgarten

Adriaen van Ostade 1610 – 1685
Die Familie, 1647
Medienorientierung zur Ausstellung
Individuelle Führung auf Anmeldung
Kunst Museum Winterthur | Reinhart am Stadtgarten
Stadthausstrasse 6, 8400 Winterthur
Adriaen van Ostade (1610–1685) zählt zu den führenden Vertretern des Bauerngenres, das er als Maler und Radierer entscheidend prägte und erneuerte. Mit Sensibilität und der Fähigkeit, menschliche Emotionen darzustellen, schuf der vielseitige Peintre-Graveur ein einzigartiges Œuvre, in dem das niederländische Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Zeit für uns heute lebendig wird.
Mit seinen ländlichen Genreszenen gilt Adriaen van Ostade gemeinhin als humorvoller Schilderer des alltäglichen Lebens der einfachen niederländischen Bevölkerung, der Bauern und Handwerker, ihrer Dorffeste und Jahrmärkte, ihrer Zechereien in Wirtshäusern und geselligen Begegnungen auf der Strasse. Insbesondere wegen ihres satirischen Charakters, der karikaturistischen Überzeichnung der Figuren und des moralisierenden Gehalts waren seine Gemälde beim städtisch-bürgerlichen Publikum beliebt. Denn Bier- und Weinkrüge, Pfeifen und Spielkarten waren geläufige Symbole für Unsitten, Müssiggang und Laster.
Damit sah manch zeitgenössischer Betrachter sein eigenes genussvolles Verhalten widergespiegelt und fand sich zur Mässigung und Fleiss ermahnt. Gleichwohl erfreute man sich an den kurzweiligen Sujets und konnte über die «komischen» Bauern lachen.
Waren für den jungen Ostade die deftigen Bauerndarstellungen seines Malerfreundes Adriaen Brouwer prägend, setzte Ende der 1640er Jahre ein grundlegender Wandel seines Stils ein. Unter dem Eindruck Rembrandts wandte er sich erstmals der Radierkunst zu. In den Radierungen entwickelte er eine neue, eigene Sichtweise auf das Landleben. An die Stelle ausgelassener Trinkgelage trat der gesittet geleerte Krug. Der spöttisch mahnende Blick wich einer neutraleren, geradezu intimen Alltagsbeobachtung. Ostade schilderte die Sitten und Verhaltensweisen, die Freuden und zwischenmenschlichen Beziehungen der einfachen Bevölkerung erstmals mit Empathie und feinem Humor.
Eine eigenständige, progressive Sichtweise zeigt sich in Ostades Familieninterieurs. In ihrer Bescheidenheit und Genügsamkeit finden die einfühlsamen Darstellungen ihre Entsprechung in Rembrandts Darstellung der heiligen Familie. Als profane Familienszenen in derart ärmlichem Milieu jedoch sind sie neu. Damit zählt Ostade zu den ersten Künstlern, die das Familienleben und ein liebevolles Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern zu einem bildwürdigen Motiv erhoben. Bemerkenswert ist die neuartige Rolle des Vaters. Den gesellschaftlichen Konventionen widersprechend ist er Teil der häuslichen und damit der weiblichen Domäne und nimmt sogar eine aktive und mitfühlende Rolle bei der Ausübung der familiären Pflichten ein.
Von den 50 Radierungen, welche Adriaen van Ostade zeitlebens schuf und die das Kunst Museum Winterthur allesamt besitzt, wird in der Ausstellung ein erlesenes Konvolut gezeigt, ergänzt durch zwei Gemälden aus seinem Frühwerk. Damit wird die Bedeutung und der aussergewöhnliche Charakter von Ostades Radierkunst, sein Stilwandel zu einer einfühlsamen Handschrift nachvollziehbar.