Der Watzmann
1824/1825

Leihgabe der DekaBank, Frankfurt am Main

Der Watzmann von Friedrich ist nicht nur das grösste Bild, das er jemals gemalt hat, es stellt darüber hinaus die wohl bedeutendste Hochgebirgslandschaft der Romantik dar. In leuchtender Klarheit strahlt das Massiv des Berges über den menschenleeren Vordergrund den Betrachtenden entgegen. In seiner eisigen, gläsernen Entrücktheit wirkt der Gipfel fast entmaterialisiert – eine göttliche Darstellung, dem menschlichen Zugriff enthoben.

Wie beim Wanderer über dem Nebelmeer, der in der Ausstellung das Erklimmen der Bergwelt vorbereitet und wie in den weissen Zacken der Kreidefelsen erscheint, hier eine Dreieckskomposition indes zur Pyramide erweitert. Überhaupt bestimmen Dreiecksformen und Diagonalen, hintereinander gestaffelt, die Komposition. Alles stürzt und steigt, keine Wege, keine Verbindungen sind auszumachen. Kein Tier und kein Mensch beleben diese monumentale Gegend. Die Natur wird zu einer zunehmend abstrakten, fast geometrischen Landschaftsarchitektur, dem Menschen und seinem Eroberungswillen entrückt.

Bereits bei der ersten öffentlichen Präsentation des Gemäldes 1825 in der Dresdner Akademieausstellung, dort unter dem Titel Einsame Gebirgsgegend vorgestellt, wurde bemerkt: «Die völlige Einsamkeit hat hier etwas Schauerliches, man sehnt sich danach, wenigstens einen Adler oder eine Gämse zu erblicken – vergebens, kein Leben wohnt hier als das der Luft und des Lichtes, jeder Pulsschlag des Gefühls steckt in dieser Höhe.»

Da Friedrich das Berchtesgadener Land, wo sich der Berg befindet, überhaupt die Alpen so wenig wie Italien je besucht hatte, stützte er sich für das Gemälde auf ein Aquarell seines Schülers August Heinrich. Daneben zog er eigene Studien zu Rate, die er bei früheren Wanderungen in den Harz und ins Riesengebirge gemacht hatte.

Die Begegnung mit der Natur des Hochgebirges spielte in den 1820er-Jahren in Dresden eine besondere Rolle. Fast alle sächsischen Landschaftsmaler hatten sich mit den Alpen beschäftigt. Auf den Akademieausstellungen von 1824 und 1825 wurde eine beachtliche Zahl von Alpenlandschaften gezeigt, darunter solche von Carl Gustav Carus, Ludwig Richter, Johann Clausen Dahl. Bereits 1824 zeigte Friedrich eine grossformatige «Schweizer Landschaft», die jedoch nicht mehr erhalten ist. Im Jahr darauf stellte er den Watzmann aus, wohl in Reaktion auf Ludwig Richters Gemälde mit dem selben Motiv, das sich wiederum an Joseph Anton Koch orientierte. Friedrich lehnte Richters erzählerische Auffassung mit Figuren, Hütten und Tieren ab, dass ihm als «naturwidrig» erschien. Dem setzte er seine absolut reduzierte und zugleich monumentale Vision des Gletscherbergs entgegen, der weit weg von menschlichem Tun hoheitsvoll, gleichsam heilig erscheint.

So wichtig dieses Gemälde für Friedrich und die Landschaftsmalerei der Romantik ist, so wechselvoll ist seine Geschichte. Denn diesem strahlenden Werk hat sich das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte eingebrannt: Adolf Hitler persönlich hatte Interesse an dem Bild für sein Feriendomizil am Obersalzberg in der Nähe des Watzmanns. 1937 zwang man seinen damaligen Besitzer, den Juden Martin Brunn, dazu, es der Nationalgalerie zu verkaufen. Die dafür gesprochenen 25’000 Reichsmark wiederum wurden als sogenannte Judenvermögensabgabe eingezogen.

1999 wurde das Bild als Raubkunst deklariert und den Erben zugesprochen. Diese einigten sich 2002 in einer glücklichen Fügung mit der Stiftung Preussischer Kulturbesitz: Die DekaBank erwarb das Gemälde zu einem vereinbarten Preis, um es als Dauerleihgabe der Berliner Nationalgalerie zu übergeben und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Caspar David Friedrich und die deutsche Romantik waren nicht gefeit vor der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. Dies darf nicht verschwiegen werden, hat doch die Kunst als Erinnerung gegen das Vergessen einzustehen. Erst das ermöglicht uns eine andere und aktuelle Lesart des Gemäldes einer unberührten Berglandschaft.

August Heinrich
Der Watzmann, 1820/1822
Bleistift und Gouache, Nationalgalerie Oslo